"Ich habe keine Zeit um mich zu beeilen."
Igor Strawinsky
Es erscheint kaum noch ein Wirtschafts-Magazin, in dem nicht die Rolle oder die Herausforderungen von Führungskräften thematisiert wird. Die Ansätze, die dabei propagiert werden, reichen von „Die Führungskraft als Coach“ bis zu „Die Führungskraft als Fels in der Brandung“. Besonders hip sind derzeit auch Beiträge zum Thema „Agile Führung“.
All das, was dort zu lesen ist, ist interessant und meist auch stimmig. Doch die Situation, die wir in vielen Organisationen beobachten ist weit entfernt davon. Und das nicht, weil die dortigen Führungskräfte nicht in der Lage wären ihre Führungsqualitäten weiterzuentwickeln. Ganz im Gegenteil: in der Regel treffen wir auf überaus engagierte und reflektierte Menschen.
Doch ein Satz, der immer wieder fällt beschreibt ihre Problematik sehr gut: „Ich hab‘ kaum Zeit zum Führen. Den ganzen Tag bin ich in Meetings, den Rest der Zeit beantworte ich Mails oder erledige dringende Aufgaben.“ Planen, managen und ausführen heißt ihr tägliches Brot – von Führung keine Spur. Ganz zu schweigen von der Zeit um sich mit der eigenen Rolle oder Entwicklungsbedarfen zu widmen?
Einige Unternehmen reagieren auf diese Problematik indem sie ihre Führungskräfte entweder zu einschlägigen Zeitmanagement- oder zu erfolgsversprechenden Führungskräfte-Seminaren schicken. Was sie jedoch versäumen ist, dem Thema Führung die entsprechende Priorität in ihrem Unternehmen einzuräumen.
Andere hingegen investieren sogar Zeit und Geld in ein eigenes Führungskräfte-Programm. Doch in unserer Praxis erleben wir immer wieder, dass es hier an einem weiteren wichtigen Aspekt von Führung fehlt: dem organisationalen Handlungsrahmen. Genauer ausgedrückt: Was bildet die Basis wie auch die Begrenzung für das Führungshandeln im eigenen Unternehmen. Welchen Werten, Maßstäben und Prinzipien folgt „Führung“ in der Organisation? Worauf ist sie ausgerichtet?
Ach, sie haben schon ein Führungsleitbild? Und das hat Ihr Unternehmen sogar auf ihrer Webseite veröffentlicht? Diese Transparenz ist begrüßenswert.
Doch trägt sie aus unserer Sicht nur dann zur wirkungsvolleren Führung bei, wenn es kontinuierlicher Referenzrahmen für das Führungshandeln ist.
Ansonsten ist das so, als wenn man einem Menschen das Fußballspiel und seine Regeln erklärt, aber im Spiel weder deren Einhaltung einfordert noch die Möglichkeit bietet, das eigene Spielverhalten zu reflektieren, zu analysieren und weiterzuentwickeln. Und das nicht nur individuell, sondern auch im Team. Und damit meinen wir nicht nur die Führungskraft und ihr Team, sondern vor allem auch die Führungskräfte als Team. Denn ihre gemeinschaftliche Aufgabe ist es das Unternehmen in die Zukunft zu führen.
Voraussetzung für Führung ist also Zeit. Zeit für Reflexion und Austausch, Zeit für Begegnung und Beziehung. Und Führung bedarf einer gemeinsamen Basis, die kontinuierlich den Referenzrahmen für das Führungshandeln bildet. Wenn sich dann noch der gemeinsame Blick auf das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure fokussiert, und Sachaufgaben konsequent delegiert werden, dann gelingt auch die Umsetzung neuer Führungsansätze.
Dieser Beitrag ist in der August-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen.
Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.
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