Feedback und andere Mißverständnisse?!

"Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners."

Heinz von Förster


Als Sarah Biendarra von Comspace über Twitter zur Feedbackparade aufrief, ploppte vor meinem inneren Auge sofort das Bild meiner ehemaligen Kollegin Franziska auf. Denn wenn ich an Feedback im allgemeinen und „Feedback geben“ im speziellen denke, ist dies eng verwoben mit Franziska.

 

Franziska und ich waren ein wunderbares Team. Zuerst als Referentinnen in einer bundesweit tätigen Stiftung. Später dann als Teamleitungs-Duo in der gleichen Organisation. Wir ergänzten uns nahezu perfekt. Wir verstanden uns blind. Oder vielleicht sollte ich es besser so beschreiben: Franziska und ich mussten oft nur noch Blicke austauschen um zu wissen, was die andere gerade denkt. Doch in einem Punkt waren wir uns immer uneinig: und das war unsere Auffassung zu Feedback, vor allem zum Feedback der kritischen Art.

  

Wer mich kennt der weiß, ich trag' mein Herz auf der Zunge. Und das in allen möglichen Lebenslagen. Dabei ist mir wichtig mit den passenden Worten auszudrücken was ich denke und was mich bewegt. Mein Fokus liegt in diesen Situationen immer auf der Sache und der bestmöglichen Beschreibung meiner Gedanken. Und so auch dann, wenn es darum geht Feedback zu geben, im positiven wie im negativen.

 

Franziska war regelmäßig entsetzt über meine direkte Art des Feedbacks. Denn für sie gab es stets eine eiserne Regel: Negatives Feedback wird immer verpackt. Das heißt bevor etwas Negatives angesprochen werden darf, wird zuerst etwas Positives in den Mittelpunkt gestellt. Erst auf diese positive Kritik kann dann, so Franziska, eine kritische Rückmeldung erfolgen. Die Kritik sollte dabei stets in verdaubaren Portionen serviert und zum Schluss mit einer weiteren positiven Rückmeldung garniert werden. Und so wurde Franziska auch nicht müde, mir diese Feedbackregel immer wieder schmackhaft zu machen. Doch ohne Erfolg!

 

Denn was in Lehrbüchern so freundlich und fürsorgend daherkommt, löst in mir immer wieder Widerstände aus. Nach intensiverer Auseinandersetzung mit Franziska wurde mir auch klar, warum.

 

Es sind drei Aspekte die mir dabei aufstoßen. Zum einen erscheint mir dieses Vorgehen in vielen Situationen unauthentisch und verwirrend zugleich. Denn wenn für mich ein Kritikpunkt zentral erscheint, warum sollte ich dann vorab erst um den heißen Brei reden?  Eine klare und eindeutige Kommunikation sieht da für mich anders aus. Gleichzeitig suggeriert dieses Vorgehen, dass mein Gegenüber nicht in der Lage sei, ein kritisches Feedback zu verkraften.

Doch mein Bild von sich entwickelnden Menschen sieht anders aus. Und aus Erfahrung weiß ich, die inneren Kritiker sind da in der Regel weit weniger zimperlich. Und der dritte Punkt, der mich an dem Vorgehen stört ist, dass sobald dieses Muster durchschaut wird, mein Gesprächspartner schon gar nicht mehr das Lob aufnimmt, das ich ihm oder ihr entgegenbringen. Denn er oder sie wartet nur darauf, wann denn nun endlich die Kritik folgt.

 

Für ein gutes Feedback braucht aus meiner Sicht deshalb andere Zutaten! Als gemeinsame Basis, die Gewissheit, dass im Mittelpunkt jedes Feedback das gemeinsame Ziel steht. Die Bereitschaft auf beiden Seiten die eigenen Eindrücke offen und ehrlich zu teilen. Die Aufgeschlossenheit, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen und die eigenen Blickwinkel kritisch zu hinterfragen. Die Offenheit, Ideen in einen gemeinsamen Topf zu werfen und sich im Denken auf Lösungen auszurichten. Sowie die Erkenntnis, dass sich alle Beteiligten durch ein Feedback entwickeln können.

 

Und so findet hilfreiches Feedback auch nicht nur einmal im Jahr statt, sondern ist Teil eines kontinuierlichen Prozesses individueller wie gemeinsamer Entwicklung.  

 

Voraussetzung für diese Art des Feedbacks ist eine Beziehungsqualität, die allen Beteiligten die Sicherheit gibt, sich bei jeder Art von Gespräch in einem „sicheren“ Raum zu befinden. Ein Raum der geprägt wird durch aufrichtige Wertschätzung, Wohlwollen und Gemeinsinn. So ein Raum wird in der Regel nicht an einem Tag geschaffen, sondern bedarf vieler einzelner Begegnungen und gemeinsamer Erfahrungen. Erfahrungen die zeigen, dass mein Gegenüber es gut mit mir und seiner Kritik meint. Und da können dann auch mal die Fetzen fliegen.

 

Und wie Heinz von Förster, der große Lehrmeister des Konstruktivismus schon wusste, "Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners!" Das Einzige, was uns in Gesprächen gelingen kann ist der Austausch unserer jeweiligen Realitäten. Und wenn das glückt, erweitert sich der "Möglichkeitsraum" unseres Denkens und Handelns. 


Dieser Beitrag ist Teil der #Feedbackparade von Sarah Biendarra von Comspace. Herzlichen Dank für den Impuls, liebe Sarah. Es hat Spaß gemacht sich mal wieder ausführlich mit dem Thema Feedback auseinanderzusetzen und dabei auch gleich noch in Erinnerungen an meine ehemalige Kollegin Franziska zu schwelgen. Weitere Beiträge gibts u.a. auf dem Blog von Comspace oder auf Twitter unter #Feedbackparade.



Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X und geht als neugierige New Work Enthusiastin leidenschaftlich gern verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern.



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Kommentare: 4
  • #1

    Hans Habegger (Freitag, 02 Februar 2018 12:47)

    Das seh' ich wie Sie, Frau Nobile. Diese "Sandwich-Technik" wirkt seit Jahren nicht mehr im gewollten Sinne, vielleicht hat sie noch nie positive Auswirkungen gehabt.

    Eher sogar negative: Wenn ich heute eine (bedingungslose) positive Rückmeldung gebe, warten meine Gegenüber auf ein nachfolgendes kritisches Feedback. Ich sehe mich dann veranlasst zu betonen, es ginge mir wirklich nur um diese positive Rückmeldung.
    Ihre volle Wirkung kann diese positive Rückmeldung in solchen Fällen gar nicht mehr entwickeln.

    Beste Grüße

  • #2

    Rainer Lührig (Freitag, 09 Februar 2018 14:31)

    Vielen Dank Sarah und Nadine.

    Mich beschäftigt dieses Thema auch schon seit langem und ich plädiere dafür, ein neues Wort zu finden.
    "Feedback" war vielleicht zur Sensibilisierung als Ausstieg aus der verurteilenden Kritik am Anderen nützlich, aber es hat komplett ausgedient. Ich habe noch kein wirklich gutes Wort...

    Meine Gedanken:
    Wir bestimmen unser inneres Erleben vollständig selbst (Autopoiese). Der Andere kann niemals etwas in mir direkt bewirken. Das kann nur ich allein. Ich entscheide, wie ich bewerte und reagiere ... ja, und manchmal fällt mir das sehr schwer oder ist gerade einfach nicht möglich.
    Aus meiner Sicht geht es im Kern um eine Selbstoffenbarung:
    Was ist gerade in mir los? Was erlebe ich gerade in mir? Was löst ein Verhalten des Anderen bei mir aus?
    Vielleicht noch: was brauche ich?

    Viele Grüße
    Rainer

  • #3

    Sarah Biendarra (Montag, 12 Februar 2018 10:34)

    Lieber Rainer, liebe Nadine,
    danke für die Gedanken zum Thema Feedback.
    Wenn ich dich richtig verstehe, plädierst du für eine Perspektive, die weg geht vom Feedback als "Ich teile dir etwas mit, damit du dich änderst" hin zu einer Selbstoffenbarung, die der Selbst(er)klärung dienen soll. Ein "Reality-Check" in etwa? ;)
    Viele Grüße
    Sarah

  • #4

    Rainer Lührig (Donnerstag, 15 Februar 2018 23:06)

    Liebe Sarah,
    ja, so in etwa. Ich betreibe grad ein "Häusliches Kommunikations-Forschungsprojekt" :-)
    Was ich gerade lerne ist: jede Du-Botschaft versucht dem anderen zu erklären, wie er ist und/ oder wie er sein sollte. Der Andere hört's und geht in die Verteidigung oder Gegenangriff. Vielleicht nicht gleich, is ja im Feedback auch nicht erlaubt, aber der Boomerang kommt irgendwann auf irgendeine Weise.
    Dann lerne ich: auch in sehr bemühten Ich-Botschaften sende ich meistens noch einen Du-Trojaner mit ... und der Andere merkt's ... bewusst oder unbewusst..

    Erst wenn ich wirklich wirklich über mich spreche, über meine nicht erfüllten Bedürfnisse und was dann in mit passiert, öffnet sich beim Anderen etwas und ein Beziehungslernen kann entstehen.

    In meiner Erfahrung kommt es dabei auch auf Feinheiten in der Sprache an. z.B.:
    "wenn ich das-und-das erlebe dann passiert das-und-das bei mir" --> vollständig eigenverantwortlich Bewertung und Reaktion
    statt
    "wenn du das-und-das tust, dann macht das das-und-das mit mir". --> Täter - Opfer - Mechanik.

    Liebe Grüße
    Rainer

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