Wenn nur noch Frust herrscht

„Frustration ist der Beginn der Kapitulation.“

                                                                                                                                         Justus Vogt


Mit hochrotem Kopf saß er vor uns. Wild gestikulierend und völlig außer sich vor Wut. Ein Mann, Anfang sechzig und seit rund vier Jahrzehnten im Dienst seines Unternehmens, der Deutschen Bahn. Wir waren gerade auf der Rückfahrt von einem Workshop in Hamburg und hatten uns für die Fahrt in ein Abteil gesetzt. Als wir Platz nahmen, schaute der Mann, der bereits im Abteil saß, teilnahmslos aus dem Fenster. Wie sich später rausstellen sollte, war er gerade auf der Rückfahrt von seiner Schicht. Doch kaum hatten wir ihn nach seinem Reiseziel gefragt, legte er schon los.

 

Hochgradig frustriert berichtete er haarklein über all die Missstände und Herausforderungen, mit denen er sich bei seiner Arbeit tagtäglich konfrontiert sieht. Seine detaillierten Erzählungen sprudelten aus ihm heraus. Er sprach sich förmlich in Rage, sodass sich an seinen Schläfen und an seinem Hals die Adern abzeichneten. Die hohe Emotionalität seiner Beschreibungen war geradezu mitreißend. Jeder Versuch ihn zu beruhigen, lief ins Leere. Und so überraschte es uns auch nicht, als er erzählte, dass der Stress ihn bereits krank gemacht hätte. „Mein Arzt schreibt mich nun immer eine Woche krank, wenn ich ihm von meinen Sorgen bei der Arbeit berichte.“

 

„Bei der Bahn läuft im Moment ja auch einiges schief“, werden Sie jetzt denken, „Kein Wunder ist der Mann so frustriert!“ Und ja, wahrscheinlich haben sie damit auch recht. Doch Menschen wie diesen Bahnmitarbeiter treffen wir zurzeit immer öfter an: Arbeiter, Angestellte aber auch Führungskräfte, die an und vor allem in ihren Unternehmen verzweifeln.

Besonders gefährdet für dieses Frustpotential sind dabei die Engagierten, die Zukunftsgerichteten, die mit dem Blick fürs große Ganze genauso wie für die kleinen, feinen Unterschiede. Mitarbeitende, die die Problemlagen wie auch Gestaltungspotentiale ihrer Organisation erkennen, jedoch keine Möglichkeit haben, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

 

Diesen Mitarbeitenden bleibt dann oft nur die Orientierung nach außen. „Reisende soll man ziehen lassen,“ heißt es in einer Redewendung. Doch was man in diesem Fall ziehen lässt, ist nicht etwa ein Unruheherd oder ein unverbesserlicher Weltverbesserer. Was man ziehen lässt, sind innovative Businessideen, inspirierende Querdenker und damit zukunftsfähige Transformationspotentiale. Besonders schlimm daran ist, dass Organisationen oft gar nicht realisieren, welche Potentiale ihnen verloren gehen. Es finden weder strukturierte Exitgespräche statt, noch wird ein Bedarf gesehen, etwas zu ändern, um weitere Zukunftsgestalter zu halten. Und so gehen Unternehmenswerte verloren, die in keiner Bilanz und in keiner Statistik erscheinen. Ein „brain drain“, oft auch ein „heart drain“. Ja, jede Stelle kann nachbesetzt werden. Dennoch reißen diese Kündigungen Lücken, die nicht mehr gefüllt werden können. Denn mit jedem Hoffnungsträger, der geht, schwindet auch die Hoffnung vieler weiterer, dass sich im Unternehmen etwas zum Positiven verändert.


Dieser Beitrag ist in der September-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen. 



Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen  nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.



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